1. Lieferung an den Netzbetreiber
Die Stromlieferung des Betreibers einer neuen Photovoltaikanlage an den Netzbetreiber umfasst umsatzsteuerrechtlich den physisch eingespeisten und den kaufmännisch-bilanziell weitergegebenen Strom. Der dezentral verbrauchte Strom wird nach EEG nicht mehr vergütet und ist nicht Gegenstand der Lieferung an den Netzbetreiber.
2. Vorsteuerabzug des Anlagenbetreibers
Photovoltaikanlagen stellen einheitliche Gegenstände dar, für die die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 2. Januar 2012, BStBl I S. 60, und vom 2. Januar 2014, BStBl I S. 119, gelten. Der Betreiber einer Photovoltaikanlage ist danach grundsätzlich nur im Umfang der (beabsichtigten) unternehmerischen Verwendung der Anlage zum Vorsteuerabzug berechtigt, sofern die 10 %-Grenze nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG erreicht wird. Eine teilunternehmerische Verwendung der Anlage liegt vor, wenn der erzeugte Strom teilweise gegen Entgelt eingespeist bzw. für andere eigenunternehmerische Tätigkeiten des Anlagenbetreibers verwendet wird und der verbleibende Strom vom Betreiber dezentral für nichtunternehmerische Zwecke (unternehmensfremde und / oder nichtwirtschaftliche Tätigkeiten i.e.S.) verbraucht wird. Im Fall einer teilunternehmerisch unternehmensfremden (privaten) Nutzung hat der Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht und kann den vollen Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Photovoltaikanlage geltend machen, wenn die unternehmerische Nutzung mindestens 10 % beträgt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG).
Hat der Anlagenbetreiber die Photovoltaikanlage vollständig seinem Unternehmen zugeordnet und nutzt er den erzeugten Strom zum Teil für unternehmensfremde (private) Zwecke, unter-liegt der dezentral verbrauchte Strom insoweit der Wertabgabenbesteuerung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG.
3. Bemessungsgrundlage, § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG
Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG bemisst sich die unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten. Auch bei im eigenen Unternehmen hergestellten Gegenständen ist grundsätzlich der (fiktive) Einkaufspreis maßgebend.
Führt der dezentral verbrauchte Strom zu einer steuerpflichtigen unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG, ist für die Bemessungsgrundlage der (fiktive) Einkaufspreis im Zeitpunkt des Umsatzes maßgebend (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG). Bezieht der Photovoltaikanlagenbetreiber von einem Energieversorgungsunternehmen zusätzlich Strom, liegt ein dem selbstproduzierten Strom gleichartiger Gegenstand vor, dessen Einkaufspreis als fiktiver Einkaufspreis anzusetzen ist. Sofern der Betreiber seinen Strombedarf allein durch den dezentralen Verbrauch deckt, ist als fiktiver Einkaufspreis der Strompreis des Stromgrundversorgers anzusetzen. Bei der Ermittlung des fiktiven Einkaufspreises ist ein ggf. zu zahlender Grundpreis mit zu berücksichtigen. Die Beweis- und Feststellungslast für die Ermittlung und die Höhe des fiktiven Einkaufspreises obliegt dem Photovoltaikanlagenbetreiber. Die Höhe des dezentral verbrauchten Stroms wird durch Abzug der an den Netzbetreiber gelieferten Strommenge von der insgesamt erzeugten Strommenge ermittelt. Neue Photovoltaikanlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 10 kW bis einschließlich 1 000 kW verfügen auf Grund des Marktintegrationsmodells über eine entsprechende Messeinrichtung (z. B. Stromzähler), die die erzeugte Strommenge erfasst.
Betreiber von Photovoltaikanlagen, für die das Marktintegrationsmodell keine Anwendung findet (z. B. Photovoltaikanlagen mit einer installierten Leistung bis 10 kW), sind nach dem EEG nicht verpflichtet, die insgesamt erzeugte Strommenge nachzuweisen. Aus Vereinfachungsgründen kann die erzeugte Strommenge in diesen Fällen unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Volllaststundenzahl von 1 000 kWh/kWp (jährlich erzeugte Kilowattstunden pro Kilowatt installierter Leistung) geschätzt werden. Im Falle einer unterjährigen Nutzung (z. B. Defekt, Ausfall) ist die Volllaststundenzahl entsprechend zeitanteilig anzupassen. Weist der Anlagenbetreiber die tatsächlich erzeugte Strommenge nach (z. B. durch einen Stromzähler oder Wechselrichter), ist dieser Wert maßgebend. Diese Grundsätze gelten sinngemäß für Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 10 kW bis einschließlich 1 000 kW, bei denen der Betreiber seiner Nachweispflicht im Rahmen des Marktintegrationsmodells nicht nachkommt (vgl. I. 2.).
B e i s p i e l:
Photovoltaikanlagenbetreiber P lässt zum 1. 1. 01 auf dem Dach seines Einfamilienhauses eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 5 kW installieren (Inbetriebnahme nach dem 31. März 2012, keine Anwendung des § 66 Abs. 18a EEG). Die Anschaffungskosten betragen 10 000 € zzgl. 1 900 € Umsatzsteuer. P beabsichtigt bei Anschaffung, ca. 20 % des erzeugten Stroms privat zu verbrauchen. Im Jahr 01 speist P 3 900 kWh Strom ein. P kann die insgesamt erzeugte Strommenge nicht nachweisen. Zur Deckung des eigenen Strombedarfs bezieht P zusätzlich Strom von einem Energieversorgungsunternehmen zu einem Preis von 25 Cent pro kWh (Bruttopreis) zzgl. eines monatlichen Grundpreises von 6,55 € (Bruttopreis) P erbringt mit der Einspeisung des Stroms eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung an den Netzbetreiber. Der dezentral (selbst) verbrauchte Strom wird nach EEG nicht vergütet und ist nicht Gegenstand der Stromlieferung an den Netzbetreiber. Die Photovoltaikanlage wird teil-unternehmerisch genutzt. Da die teilunternehmerische Nutzung in einer unternehmensfremden (privaten) Nutzung besteht, hat P das Wahlrecht, die Photovoltaikanlage vollständig seinem Unternehmen zuzuordnen und den vollen Vorsteuerbetrag in Höhe von 1 900 € aus der Anschaffung geltend zu machen. In diesem Fall führt der dezentrale Stromverbrauch zu einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG, die für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung wie folgt zu berechnen ist: Da P die insgesamt erzeugte Strommenge nicht nachweisen kann, ist diese anhand einer Volllaststundenzahl von 1 000 kWh/kWp mit 5 000 kWh (5 kW installierte Leistung x 1 000 kWh) zu schätzen. Hiervon hat P 3 900 kWh Strom eingespeist, sodass der dezentrale Ver-brauch im Jahr 01 1 100 kWh beträgt. Als Bemessungsgrundlage ist nach § § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG der fiktive Einkaufspreis maßgebend. Als fiktiver Einkaufspreis ist der Netto-Strompreis in Höhe von 21 Cent pro kWh (25 Cent / 1,19) sowie der Netto-Grundpreis von monatlich 5,50 € (6,55 € / 1,19) anzusetzen, den P an das Energieversorgungsunternehmen bezahlt. Die Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG beträgt im Jahre 01 somit 297 € (1 100 kWh x 21 Cent zzgl. 12 Monate x 5,50 €); es entsteht Umsatzsteuer in Höhe von 56,43 € (297 € x 19 %). Für das Voranmeldungsverfahren hat P die Aufteilung durch eine sachgerechte Schätzung (z. B. Aufteilungsverhältnisse des Vorjahres) zu ermitteln, die ggf. im Voranmeldungsver-fahren oder in der Jahreserklärung anzupassen ist.
BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012, XI R 3/10, BMF-Schreiben vom 19.09.2014